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Freitag, 10. Juli 2015

Wieso Mexiko?


Wie sicher alle mitbekommen haben, habe ich vor knapp einem Monat der Schweiz den Rücken gekehrt. Nach einem sechsmonatigen Probewohnen in Playa del Carmen habe ich den grössten Teil meiner Sachen weggeschmissen, gespendet oder verkauft, einiges bei meinem Bruder im Keller gelagert und 45 Kilo mitgenommen. Folgende zwei Fragen musste ich deswegen schon unzählige Mal beantworten: Warum? Und wieso ausgerechnet Mexiko? Hier die Antwort dazu schriftlich. 



Viele denken, ich sei einfach wegen meinem Mann hierhergezogen. Ja, auch. Aber nicht nur. Ja, es geht um Liebe. Aber Liebe zum Leben. Liebe zu dem, was ich tue. Liebe zu meiner Umgebung. Und nicht zuletzt natürlich Liebe zu all den Menschen in meinem Leben, die mir wichtig sind.  In der Schweiz habe ich von alldem nicht mehr viel gespürt (ausser der Liebe zu den Menschen in meinem Leben natürlich). Ich war unzufrieden mit mir selbst, meiner Arbeit, meinem Leben überhaupt. Jeden Morgen musste ich mich zwingen, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Eine Veränderung musste her. Denn eines war mir klar: Ich würde nicht zu einem von den Menschen werden, die immer nur motzen aber nichts gegen ihre Unzufriedenheit tun. 

Ich bin mir dessen bewusst, dass, nur weil ich in einem anderen Land lebe, nicht gleich alles magisch besser wird. Aber die Veränderungen die ich mir wünsche und die ich vor allem aktiv beeinflussen kann, sind hier greifbarer. Ich möchte nicht mehr acht Stunden am Tag in einem Büro sitzen und sinnlose Berichte, Nachrichten oder Produktbelobungen schreiben. Ich möchte überhaupt nicht mehr acht Stunden am Tag in einem Büro sitzen müssen. Ich sah in meinem Leben in der Schweiz höchstens eine Veränderung in der Karriereleiter. Und ich bin nicht daran interessiert, diese hochzuklettern. Ich bin daran interessiert, täglich gerne zur Arbeit zu gehen. Freude an dem zu haben, was ich mache. 

Ausserdem, seit  ich als kleiner Knopf mit fünf Jahren zum ersten Mal das Meer gesehen habe, war es mein Traum, am Meer zu leben. Wann hatte ich meine Träume vergessen und stattdessen nur noch an Schulabschlüsse, Diplome und Monatslöhne gedacht? Irgendwann im Laufe meines Lebens habe ich tatsächlich vergessen, was ich wirklich will, was ich wirklich gerne mache. Ich habe mich stattdessen nur noch darauf konzentriert, was von mir erwartet wird. Ich habe gedacht, ich kann schreiben, also werde ich Journalistin. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gelernt habe, dass was man gut kann, nicht unbedingt das ist, was man täglich acht Stunden lang machen will. Oder in anderen Worten, Können ist nichts ohne Begeisterung. Es gibt noch andere Dinge die ich gut kann UND die mir Freude machen. Das letzte Jahr habe ich also hauptsächlich damit verbracht, dem auf den Grund zu gehen: Was will ich wirklich?

Unterbewusst war mir schon lange klar, dass ich hier bleiben will. Trotzdem hatte ich Angst vor der Entscheidung. Was, wenn doch alles schief gehen würde? Was, wenn ich hier niemals so gute Freunde finde würde wie Zuhause? Was, wenn ich hier noch unglücklicher sein würde? Aber in der Schweiz war ich auch nicht glücklich. Und am wichtigsten, ich weiss, ich würde es tausend Mal mehr bereuen, es nicht wenigstens versucht zu haben, als zu scheitern. Ausserdem hatte ich, bis ich endlich eine endgültige Entscheidung traf, ständig wiederkehrende Albträume davon, in Luzern bleiben zu müssen. Ein Arschtritt meines Unterbewusstseins, das meine Unschlüssigkeit langsam satt hatte. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und beschloss: Ja. Ich werde alles in der Schweiz zurücklassen und hier neu anfangen. 




Dennoch, der Abschied fiel mir nicht leicht und die wenigen Wochen die ich hatte, um meine Wohnung aufzulösen und mich von allen zu verabschieden, schienen bei weitem nicht genug. Gefühlsmässig machte ich von «Ich schmeiss alles hin und bleibe doch!», über Wutanfälle und Tränen bis hin zu Euphorie alles durch. Das Thema «Loslassen» war allgegenwärtig - und hat am Ende gut getan.

Wieso ausgerechnet Mexiko? Wieder die Liebe. Nicht nur die zu meinem mexikanischen Mann, sondern zu diesem Land. Ich könnte euch jetzt seitenlang von der mexikanischen Kultur, Natur, dem Essen und den Menschen vorschwärmen. Aber das ausschlaggebende für mich war wohl, seit ich dieses Land zum ersten Mal betreten habe, fühlte ich mich hier Zuhause. 

Wie lange ich bleiben will? Für immer? Ich weiss es nicht. Denn wenn ich etwas gelernt habe in meinem Leben, dann, dass die Dinge oft anders geschehen als geplant. Also lasse ich es auf mich zukommen. 


Und nun bin ich hier. Und habe meine Entscheidung noch keine einzige Sekunde bereut. So weit läuft nämlich alles wunderbar. In der Liebe. In der Arbeit, wo sich ungeahnte Möglichkeiten aufgetan haben. Mich umgeben wunderbare Menschen. Und wenn ich am Strand stehe, die Meeresluft einatme, das Rauschen der Wellen in meinen Ohren und in die Weite blicke (ja, genau so kitschig mache ich das), dann bereue ich erst recht nichts. Es ist lange her, dass ich so glücklich war!


Mittwoch, 1. Juli 2015

Moctezumas Rache

Weiter geht’s mit den wahren Problemen des Alltags, mit denen ich mich hier herumschlage. Diese haben nach wie vor nichts mit wild um sich schiessenden Drogenbaronen oder sonstiger Bandenkriminalität zu tun. Diese Woche: Moctezumas Rache. 

Wer ist Moctezuma und wofür rächt er sich? Moctezuma war Anfang des 16. Jahrhunderts Herrscher der Azteken - das sind die, die in einem Teil Mexikos und Mittelamerikas lebten, bevor die Europäer beschlossen, dass ihnen die Welt gehört und die Spanier hier alles niedermetzelten was nicht bei drei auf den Palmen oder besonders wertvoll war. Besagte Spanier begannen in das aztekische Reich einzudringen, als Moctezuma an der Macht war. Glaubt man der Legende, so hinterliessen sie überhaupt keinen guten Eindruck bei ihm (wen wundert’s). Denn er belegte alle Spanier und sonstigen Ausländer die ihren Fuss auf den Kontinent setzen mit einem Fluch: Fürchterlicher Durchfall sollte sie in der ersten Woche ihres Aufenthaltes plagen. um also die zweite Frage zu beantworten, er rächte sich wohl dafür, dass er sich dank den Spaniern beschissen fühlte. Oder er wollte ihnen einfach Schiss einjagen. Dünnschiss ist aber leider keine geeignete Kriegsstrategie und wie wir heute sehen, hinderte er die Europäer nicht im geringsten daran, den Kontinent einzunehmen. 

Moctezumas Rache bedeutet also schlicht und einfach Reise-Diarrhoe. Jeder Mexiko-Reisende hat diese bestimmt schon mehr oder minder schlimm miterlebt. Ich bin der Meinung, hier in Playa ist es besonders schlimm. Nicht nur schmeckt das Essen hier aus unerfindlichen Gründen bloss halb so gut wie im Rest Mexikos, auch wird man hier öfter krank deswegen. Anscheinend wegen der Hitze - was ich nicht verstehe, schliesslich besitzen sie hier auch Kühlschränke. 

Wie dem auch sei, in den letzten drei Monaten war ich bereits zwei Mal beim Notarzt wegen Moctezumas herzlicher Rache - ich hatte zudem mörderische Bauchkrämpfe und das Vergnügen, mein Essen zwei Mal zu sehen. Laut meiner Ärztin sind das die Symptome, die sie hier am häufigsten behandeln muss. Weshalb ich schon ernsthaft in Erwägung gezogen habe, wieder Vegetarierin zu werden. Aber dann komme ich doch wieder an einem lecker duftenden Taco-Laden vorbei und vergessen sind die guten Vorsätze…