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Mittwoch, 10. Oktober 2012

Verführerische, süsse Schlange


Ich bin hoch konzentriert am arbeiten, als… Ok, seien wir ehrlich. Man soll eine Geschichte, vor allem wenn es sich um eine wahre Geschichte handelt, nicht bereits mit einer kleinen Lüge, einer Übertreibung, beginnen. Also noch einmal. Ich war am arbeiten… Ich war im Büro. Ich sitze also im Büro an meinem Schreibtisch, da höre ich es hinter mir, aus meiner abschliessbaren Schublade wispern. Abschliessbar, weil sich darin meine wichtigen Sachen befinden, die niemand entwenden soll. Ich versuche das Wispern und Flüstern zu überhören und konzentriere mich wieder auf den Bildschirm.  „Iss mich!“ ertönt es, bereits wieder etwas lauter, aus der Schublade. Ich ignoriere es, trinke einen Schluck Wasser und beginne, ein Email zu beantworten. Nach zwei Minuten bin ich fertig. Absenden. Und schon ist es wieder da, dieses eindringliche Flüstern, dass sich in meinen Gedanken einnistet, mein Denken übernimmt, in meinen Magen vordringt: „Iss mich!!“  Ich kann es nicht aus dem Kopf streichen. Ich weiss, es ist da. Es zieht mich an, magisch. Mein Magen meldet sich zu Wort – auch er fühlt ihre Anwesenheit. Ich kann nicht länger widerstehen. Ich möchte, wirklich, aber es geht nicht.

Ich greife nach dem Schlüssel, der zu den wichtigen, geheimen Sachen in der abschliessbaren Schublade führt, und drehe mich um. Noch einmal zögere ich kurz. Soll ich wirklich? „ISS MIIIICH!!!“ höre ich wieder. Ohne weiter nachzudenken schliesse ich die Schublade kurz entschlossen auf, und greife nach der Tafel Schokolade – das einzige, was sich darin befindet, neben einem Mäppchen meiner Vorgängerin, dessen Inhalt ich noch nie angeschaut habe. leckere, braune, Schweizer Schokolade. Ich spüre bereits, wie sie in meinem Mund zerfliesst und ihren unverwechselbaren süssen Geschmack in meinem Gaumen hinterlässt.

Nur ein kleines bisschen, sage ich mir, und breche eine Reihe ab, um genüsslich hinein zu beissen. Jetzt weiss ich, wie es Adam und Eva mit dem Apfel gegangen sein muss. Aaah, ist die lecker! Mein Magen triumphiert. Schokolade… gibt es etwas Besseres? Vor allem, wenn man eigentlich mal wieder Diät machen wollte.
Jetzt sollte ich den Rest der Schokolade zurück legen. Sollte ich. Eigentlich… Aber es sind nur noch zwei Reihen übrig…  Aber, die arme Schokolade wieder in der dunklen Schublade einschliessen? Fast so schnell wie ich den Gedankengang verwerfe, verschwinden die letzten beiden Reihen. In meinen Mund.

Ich beschliesse (zum wiederholten Male), nie wieder Schokolade am Arbeitsplatz zu haben. Sie ist meine Schlange im Bikiniparadies.