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Montag, 19. Oktober 2015

Ahorita

Heute bringe ich euch die mexikanische Kultur etwas näher. Anhand von einem Wort: Ahorita. Ein Wort das mir weitaus mehr Angst einjagt als die berühmt-berüchtigten Drogenmafias. 

Wortwörtlich übersetzt ist «ahorita» das Diminutiv von «jetzt», die Schweizer Version (wir sind ja bekanntlich grosse Fans des Diminutivs) wäre also «jetztli». Hört sich niedlich an. Ist es aber nicht. Es ist ein, in seinem Gebrauch, schreckliches Wort.

«Ahorita» ist eine Zeitangabe, die eigentlich so viel wie «gleich» oder «sehr bald» bedeutet, auf jeden Fall ein zeitlich sehr nahe liegender Moment. Tatsächlich gemeint ist aber jede nur erdenkliche Zeitspanne zwischen «in fünf Minuten» bis «gar nie». In den meisten Fällen liegt sie unangenehm nah bei gar nie. Oft wird das Wort einfach benutzt, um nicht nein sagen zu müssen. Denn das wäre ja unhöflich. 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich die wahre Bedeutung des Wortes gelernt hatte und aufhörte, auf diesen Anruf zu warten. Oder darauf, dass mein Herr Gemahl seine Socken vom Boden in den Wäschekorb umdisponiert. 


Den höchsten Grad an Frustration löst das Wort aber im Zusammenhang mit Technikern, Sanitären und ähnlich sehnsüchtig erwarteten Menschen aus. Falls unklar sein sollte warum, hier ein Beispiel aus dem Alltag: 

Mein Internet funktionierte plötzlich nicht mehr. In der Schweiz würde ich nun den Anbieter anrufen und dieser würde zu einem vereinbarten Termin jemanden vorbei schicken. (Mein vor-mexikanisches ich hätte sich dann über eine halbe Stunde Verspätung aufgeregt oder über ein so ungenaues Zeitfenster wie "Montag Vormittag".) In Mexiko bekam ich die völlig unbefriedigende Zeitangabe von «frühestens in drei Tagen». Am Tag Nummer sechs rief der Techniker an, um mir mitzuteilen, er komme «ahorita». Es konnte sich also nur um Stunden handeln. Er kam überhaupt nicht. Am Tag sieben rief wieder jemand an, wieder, er komme «ahorita». Die Schweizerin in mir beschloss, gegen solch unfassbare Unzuverlässigkeit vorzugehen. Und tatsächlich, nach einigen, für alle Involvierten gleichsam nervtötenden Anrufen und vier Stunden später, war er da. Ich verbuche das als Erfolg. Die Behebung des Problems dauerte übrigens nur zehn Minuten. Der Grund für den Internet-Ausfall würde einen weiteren Blogeintrag füllen. 

Ähnliche Redewendungen:
«Permítame un segundo»«Gib mir eine Sekunde.» Sekunden dauern hier deutlich länger  als in der Schweiz.
«Estoy en camino!»: «Ich bin unterwegs!» Vermutlich gerade vom Badezimmer ins Schlafzimmer, um sich für das Treffen umzuziehen. 

Fazit? Geduld ist eine verdammte Tugend.

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