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Donnerstag, 25. Juni 2015

Paola

Kürzlich bin ich (wieder zurück) nach Mexiko gezogen, Playa del Carmen heisst die Destination diesmal. Viele (zu viele) Menschen brachten ihre Besorgnis darüber  zum Ausdruck, dass ich in ein "so gefährliches" Land ziehe. Sie stellten sich Mexiko voller mit bis an die Zähne bewaffneten Drogenbaronen vor, die wahllos jeden vergewaltigen und erschiessen, der ihren Weg kreuzt. Mit Vorliebe natürlich blonde Mädels wie mich. 


In Wahrheit aber werde ich hier mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Diese Woche: Ratten. 

Eines schönen Nachmittags sass ich zu Hause am arbeiten, als ich im Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm. Beim genaueren Hinsehen sah ich gerade noch etwas Hand-grosses unter die Kommode huschen. Ohne viel zu denken, stiess ich erst einen entsetzten Schrei aus und war dann etwa 3 Sekunden später aus der Wohnung. Um eine Stunde später, bewaffnet mit einer Freundin, zwölf Dosen Bier gegen die Angst und einer Rattenfalle wieder zurück zu sein. Noch einmal etwa 4 Stunden später war von der Ratte keine Spur, obwohl wir mit einem Besenstiel alles abgesucht hatten, und das Bier getrunken. Man begann an meiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Mein Mann war entsprechend begeistert, als er nach Hause kam, uns betrunken vorfand und erfuhr, dass wir die Wohnung fortan mit einer Ratte teilen. Er hält von Ratten etwa so viel wie ich von den übergrossen (ca. 7cm) Kakerlaken die zudem noch fliegen können (wieso?!), oder den 30cm langen Tausendfüsslern hier (die werden ihrem Namen wenigstens gerecht). Ehrlich, da habe ich vor einer Ratte weniger Angst. Aber in meiner Wohnung möchte ich sie trotzdem nicht haben. Plötzlich vermisste ich meine Katze noch viel mehr.

Zwei Tage später hatten wir die Ratte liebevoll Paola genannt. Ich hatte inzwischen die komplette Wohnung auf den Kopf gestellt, sie von sämtliche Insekten befreit und eine Eidechse gefangen und wieder befreit, die in einer von Paolas Fallen kleben geblieben war (ich konnte nirgends eine Lebendfalle finden). Paola hingegen war viel zu schlau für diese Fallen: Sie ass die Chips daraus ohne kleben zu bleiben und hinterliess nur angsteinflössend riesige Pfoten-Abdrücke. Wir wohnen in einer eineinhalb-Zimmer Wohnung - meiner Meinung nach gibt es nicht so viele Orte, wo sich eine Ratte verkriechen kann. Aber Paola belehrte mich eines besseren. Dieses schlaue Biest. 

Am dritten Abend schliesslich, wir lagen bereits im Bett, hörten wir es aus der "Küche" (eigentlich einfach die Ecke der Wohnung, wo der Kühlschrank und das Regal mit Essen und Geschirr stehen) klirren. Innert einer halben Sekunde war ich auf den Beinen und in der Küche. Da war sie, Paola! Aus ihren kleinen schwarzen Knopfaugen starrte sie mich an und in dem Augenblick des gegenseitigen Anstarrens konnte ich ihren Hohn förmlich spüren. Natürlich schrie ich laut, was zwei Sachen nach sich zog: Paola rannte unter das Gestell und mein Mann verfiel loyal, wie er ist ebenfalls ein bisschen in Panik. Aber dieses Mal würde ich nicht wieder den gleichen Fehler begehen. Ich würde das kleine fette Biest nicht mehr aus den Augen lassen, bis ich es aus der Wohnung hatte. Paola sollte mir dankbar sein, war das doch eine Chance, lebend zu entkommen, denn töten wollte ich sie eigentlich nicht. Etwa 45 Minuten, einige umgekippte Möbel und panische Schreie später, schaffte ich es: Samt Couch-Hocker bugsierte ich Paola zur Haustür hinaus. Mein Mann hatte derweil die Fähigkeit entwickelt, sich auf Stühlen stehend fortzubewegen. 

Nun, wir hatten einige wertvolle Lektionen gelernt: 1. Ratten hier sind weitaus grösser, mutiger und frecher als diejenigen in der Schweiz. Wir pflegen ja zu sagen, "Das Tierchen hat mehr Angst vor dir, als du vor ihm!" Auf Paola traf das ganz bestimmt nicht zu. Sie hatte sich nämlich vermutlich die ganze Zeit unter dem Sofa versteckt, welches ich auf der Suche nach ihr mehrmals kräftig bewegt und auf den Boden knallen lassen hatte. 2. Wir könnten hier vergewaltigt und gefoltert werden, oder sonstige gewalthaltige Praktiken die uns laut schreien lassen, und die Nachbarn scheren sich einen Dreck darum. 3. Ich vermisse meine Katze. 4. Ratten führen dazu, dass mein Mann erstaunliche akrobatische Leistungen vollbringt.

Fazit: Ist die Ratte im Haus, tanzt der Ehemann auf dem Stuhl. 

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