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Freitag, 30. September 2016

20 Dinge aus der Schweiz die ich am meisten vermisse

Man nehme eine Flasche Wein, eine Prise PMS, drei Esslöffel Heimweh, gut gemischt mit einem Pfund Schlaflosigkeit, lasse das Ganze einige Tage in Arbeitsstress garen und heraus kommt… folgender Blogeintrag.

Ich mag Mexiko. Ich bin gerne hier. Was aber nicht ausschliesst, dass ich einiges aus der Heimat vermisse. Darunter so manches, das ich früher als selbstverständlich hinnahm. Hier eine Liste der Dinge, die ich am meisten vermisse (in keiner spezifischen Reihenfolge): 

  1. 5-Tage-Woche. Bzw. 2 Tage (oder mehr) Wochenende.
  2. 4 Wochen (oder mehr) bezahlte Ferien.
  3. Berge. Oder Hügel. Oder irgendeine Art  natürliche Erhöhung in der Landschaft. Das höchste hier ist die Autobahnbrücke (ohne Scheiss).
  4. Stiefel, Schal, Pullis, Mäntel.
  5. Trinkbares Leitungswasser. Das Mineralien und so hat die meinem Körper gut tun.
  6. Und wo wir schon beim Wasser sind, Wasser das man nicht…. nachfüllen muss. Wenn ich in der Schweiz den Wasserhahn aufdrehen kommt (fast) immer Wasser aus der Leitung, während man es in Mexiko regelmässig «nachfüllen» muss. Sprich, es kommt plötzlich kein Wasser mehr aus der Leitung. Gerne gerade dann, wenn ich eingeseift und shampooniert in der Dusche stehe. Damit wieder Wasser aus der Leitung sprudelt, muss ich draussen (ja, vor der Haustür draussen) so einen Knopf drücken, ein lautes Geräusch ertönt, und nach etwa 15 Minuten stelle ich es wieder ab. Ich weiss zugegebenermassen nur sehr wenig über die technischen Details (ich kann mich dunkel daran erinnern, in der Primarschule die ARA Luzern besucht zu haben.
  7. K.Ä.S.E Ich könnte töten für einen Gruyere. Oder Raclette. Ich habe in einem Gourmet-Geschäft hier mal "Reclett" gekauft - es hat geschmeckt wie es tönt.
  8. Schwiizerdütsch rede.
  9. Ebene Gehsteige. Hier muss man mit dem Blick auf den Boden gerichtet gehen, da es Löcher im Trottoir hat, manchmal richtig tiefe, heraus ragende Drahtseile, hin und wieder Abfall oder plötzlich eine Stufe oder einen regelrechten See nach Regenfall. Wer schielen kann ist im Vorteil, denn man muss auch nach oben hin aufpassen, da manchmal lose Kabel von den Leitungen herunterhängen oder Drahtseile.
  10. Französische Salatsauce. Hier quetscht man eine Limette über dem Salat aus (der in der Regel sowieso nur als Garnierung des Hauptgerichts existiert), und lacht mich aus wenn ich Vinaigrette-Rezepte vorschlage.
  11. Orangen die tatsächlich orange sind. Hier sind sie grünlich. Als ich mal erwähnte wie seltsam ich es finde, dass Organgen hier grün sind, wurde ich erstaunt gefragt. was für eine Farbe Organgen denn sonst haben sollen… (Ok, mir ist es eigentlich völlig Wurst welche Farben die Orangen habe ich fand nur die Anekdote witzig.)
  12. Suure Gsprützte bestellen in der Bar
  13. Unter 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Es ist nicht nur klimamässig anstrengend weil man irgendwie ständig am schwitzen ist, sondern die Feuchtigkeit greift auch alles an. Ledertaschen oder Schuhe haben eine extrem verkürzte Lebenszeit. Kleider und Schuhe die man länger (nicht getragen hat, müffeln oder schimmeln sogar.
  14. Einbauküchen. Hier muss man sich die Küche selber kaufen, wenn man eine Wohnung mietet. Küchen sind verdammt teuer. Wir haben es bisher zu einem Kühlschrank und einer elektrischen Kochplatte gebracht.
  15. Kleine, ungiftige Insekten. Hier sind die Kakerlaken so gross, dass ich vermute sie hat sich darum zwischen meinen Schuhen versteckt weil sie sich ein Paar ausleihen wollte. Und ich könnte schwören der Heugümper hat mit meiner Jeansjacke geliebäugelt.
  16. Thomy Mayonnaise. Überhaupt Mayonnaise und Senf aus der Tube.
  17. Klar organisierte ÖV mit Fahrplan, in die auch Menschen über 1.60 m Körpergrösse bequem hineinpassen. Gerne mit Klimaanlage.
  18. Kleidergrössen die ich verstehe. Hier benutzen sie glaube ich Mexikanische und US und was weiss ich was für Grössen, die aber irgendwie für Blusen und Hosen total unterschiedlich sind - ganz zu schweigen von BHs. Ich konnte mir in den knapp zwei Jahren hier noch keinen Überblick verschaffen. Gott sei Dank gibt es einen H&M. Und Kleidergrössen für Frauen scheinen ja sowies etwas sehr willkürliches zu sein.
  19. Grosse Menschen. Ich vermisse meine Schuhe mit Absätzen, aber ich überrage ja sogar barfuss schon die meisten hier um einiges. Ein Mitarbeiter hat mich mal liebevoll als «Yeti mit dem Herzen eines Mädchens» beschrieben. 

Was ich aber am allermeisten vermisse, sind meine Freunde in der Schweiz. Eine Handvoll Menschen die unersetzbar sind, und deren Gesellschaft zum wertvollsten gehört was ich habe. Das ist wohl das einzige was ich mit hundertprozentiger Sicherheit immer vermissen werde. 

Montag, 15. August 2016

Was alles kann meine Autohupe? Oder: Autofahren in Mexiko

Wer von euch fährt Auto und kennt das Gefühl, die Autoprüfung ENDLICH bestanden zu haben? Ich nicht. 



Nicht, dass ich die Prüfung nicht bestanden hätte, nein, ich habe sie gar nie erst gemacht. Aus Gründen, die einen anderen Blogartikel (und vermutlich mindestens eine Therapiesitzung) füllen könnten. Ich habe lediglich den Nothelfer gemacht (welcher übrigens so viele seltsame Ereignisse mit sich zog, dass das vemutlich noch einmal einen Artikel füllen könnte).

Ich habe vom Autofahren ungefähr so viel Ahnung wie von der Regelung meiner Finanzen: Die Theorie ist glasklar, aber die Praxis... Da ich von Natur aus eher paranoid bin, kenne ich die Theorie dafür wohl besser als so mancher erfahrener Autofahrer. Was mich entweder zur exzellenten oder nervtötendsten Copilotin macht.

Nun lebe ich ja inzwischen in einem Land, wo es statt der SBB winzige Vans gibt, deren Fahrer meiner Meinung nach viel zu sehr auf ihren "Ich gehen mit Gott" Aufkleber vertrauen und die ausserdem eher für Leute mit Körpergrösse 1.50 m gemacht sind. Selbst wenn ich einen Sitzplatz ergattere bin ich, im Gegensatz zu so manchen kleinen, Mexikanern nicht allzu bgeistert von der Idee, eingeengt zwischen besagten, männlichen, sehr begeisterten, Mexikanern zu sitzen. Ausserdem bin ich diesem Gott, der derart halsbrecherische Fahrstile toleriert, gegenüber eher skeptisch gesinnt. 



Also habe ich mir so gedacht, hey, wenn ich mich traue in Mexiko Auto zu fahren, kann ich das in der Schweiz ganz sicher. Das einzige was ich benötige: Ein möglichst grosses Auto (je grösser das Auto desto mehr Vorfahrt), ein bisschen Geld und besagte Therapiesitzung. Denn was in der Schweiz ein kostspieliges Unterfangen ist und eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, ist hier höchstens deswegen kostspielig, weil erwartet wird, dass man mit dem eigenen Auto zur Fahrprüfung aufkreuzt. (Ich denke nicht, dass Arturo mir seinen BMW leihen wird. Das wird wohl vor mindestens 10 Jahren Fahrerfahrung und wiederholten Bestechungsversuchen nicht geschehen). Was übrigens wohl auch den Fahrstil vieler Mexikaner erklärt, allen voran den der Taxifahrer, der sich wohl am besten mit Strassenverkehrs-Nahkampf beschreiben lässt. 

In Mexiko sieht das Prozedere um einen offiziellen Führerschein zu erhalten folgendermassen aus: Man gehe zum mexikanischen Äquivalent des Strassenverkehrsamtes, wo man zunächst einen 30-minütgen Vortrag zum Thema Autofahren und Strassenverkehrsregeln erhält. Da Strassenverkehrsschilder hier eher Richtwerte als tatsächliche Regeln zu sein scheinen, vermute ich, dass hier vor allem erklärt wird, dass die Autohupe magische Wirkungen hat. Es folgt ein kurzer Multiple-Choice-Test  (Was kann meine Hupe? a) Staus auflösen, b) rote Ampeln auf grün schalten, c) das Stopp-Signal an Kreuzungen ersetzen oder d) alle zuvir genannetn Möglichkeiten). Hat man diesen bestanden, folgt die praktische „Prüfung“: bitte einmal zwischen zwei Strassenkegeln einparkieren. Wie bereits erwähnt, mit dem eigenen Auto, mit dem man  bereits zum Test hergefahren ist. Hat man dann erfolgreich einparkiert ohne einen der anwesenden Strassenkegel zu massakrieren,  gilt der Test als bestanden und man darf offiziell Auto fahren. Je nachdem wieviel man dafür bezahlt, ist der Führerschein national oder international gültig. Von Leuten die ohne Führerschein herumkurven (was erschreckend viele sind), hört man übrigens gerne: Ich fahre mit Gottes Lizenz. 



Da die Schweizer Behörden ein weniger ausgeprägtes Gottvertrauen haben, werde ich wohl versuchen, bald einen internationalen Führerschein hier zu machen. Mit bald meine ich irgendwann in den kommenden 10 Jahren. Therapie ist teuer. Teurer als ein Führerschein. 

Mittwoch, 18. November 2015

Der lange Weg zur Legalität

Was sich nach einem NZZ-Hintergrundbericht anhört, ist nur ein weiterer Blogeintrag über die Höhen und Tiefen meines Lebens hier in Playa. Heute: Wie ich meine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Da ich  mit einem Mexikaner verheiratet bin, brauchte dazu eigentlich nur drei Dinge: Geduld (nicht nur für das Eheleben), einen Stapel Dokumente und Geld. Vor allem aber gaaaanz viel Geduld. 

Bei meinem ersten Besuch des hiesigen Migrationsamtes erhielt ich eine Liste. Der logische Gedankengang wäre jetzt, dass ich einfach alle darauf angegebenen Papiere benötige. Falsch gedacht. Von den aufgelisteten Dokumenten benötigte ich nur einen Teil, dafür aber zusätzlich noch drei, die mir die nette, etwas gelangweilte Dame darunter notierte. 

Ich begann also alle nötigen Dokumente zusammenzusuchen, auszufüllen und zu unterschreiben und lieferte wenige Tage später alles beim Migrationsamt ab. Die Einzahlung, die ich am selben Tag und in einer bestimmten Bank tätigen musste, hatte ich ebenfalls erledigt und die Bestätigung natürlich dabei. 

Nach etwa 45 Minuten Wartezeit wurde dann endlich meine Nummer aufgerufen. Nicht, dass die Angestellten dort so wahnsinnig beschäftigt wären. Zumindest sicher nicht damit, Gesuchsteller wie mich zu betreuen. Aber Videos auf Youtube schauen, Pläne für nach dem Feierabend schmieden und mit der dünnen, blonden Französin im knappen Mini flirten nimmt eben auch Zeit in Anspruch. (Notiz am Rande: Die Französin wusste einfach, worauf es beim Migrationsamt ankommt. Ungeschminkt, im alten T-Shirt und Flipflops aufzukreuzen war ein fataler Fehler von mir.) Als ich dann endlich an der Reihe war und dem uniformierten Typ meinen Stapel Papiere in die Hand drückte, erklärte mir dieser in genervtem Tonfall, dass zwei Papiere fehlten und ich zudem zwei Kopien der Einzahlungsbestätigung brauche. Ups, das musste ich wohl überlesen haben? Auf meine Frage, wo dies auf der Liste aufgeführt sei, erklärte er nach einem kurzen Blick darauf: gar nicht. Toll. Wozu haben sie denn überhaupt Listen?

Zwei Tage später stehe ich also wieder auf der Matte. Diesmal im schwarzen Mini-Kleidchen und mit rotem Lippenstift. Bei dreissig Grad im Schatten und gefühlten hundert Prozent Luftfeuchtigkeit sexy aussehen ist übrigens eine echte Herausforderung. Die sich aber lohnt: Ich werde deutlich netter behandelt, ja sogar angelächelt! Meine Papiere sind jetzt soweit auch in Ordnung, aber meine Fotos sind zu hell und ich muss neue machen lassen. Praktischerweise befindet sich das Fotostudio direkt nebenan (die wissen schon warum). Also ist das Problem schnell behoben. Dank roten Lippen darf ich dann auch direkt wieder zu dem jetzt netten Herren und muss nicht eine neue Nummer ziehen. Er wartet auch ganz lieb die fünfzehn Minuten, statt in der Zwischenzeit einen der vielen Wartenden aufzurufen.

Aber die Gänge zur «Migra» hatten sich damit noch lange nicht erledigt. Ich würde per E-Mail eine Bestätigung erhalten, worauf ich erneut vorbeigehen musste, um einen weiteren Einzahlungsschein abzuholen und noch irgendein Dokument abgeben. 

Naja, wieso einfach wenn's auch kompliziert geht. Als ich ungefähr vier Wochen später das E-Mail erhalte, habe ich die weiteren Dokumente natürlich schon bereit und gehe also den Einzahlungsschein abholen. Der übrigens in einer anderen Bank als der vorherigen bezahlt werden muss. Was folgt ist das gleiche Prozedere: Auf die Bestätigung warten, dann wieder eine Einzahlung betätigen. Wieder in einer anderen Bank. 

Wieso haben die so viele verschiedene Konten? (Anders kann ich mir nicht erklären, warum man das Geld immer in einer anderen Bank einzahlen muss.) Und wieso kann man das alles nicht einfach in nur einem Schritt erledigen?! Mit der ganzen Warterei und Herumrennerei ging jedes Mal ein halber Tag flöten. (Notiz am Rande: Autokorrekt akzeptiert Warterei und Herumrennerei nicht und ändert es in Warteei und Serumrennerei.) 

Schlussendlich (ja, ich weiss, dass dieses Wort keinen Sinn macht aber das Migrationsamt hier macht ja auch keinen Sinn) war ich etwa sieben Mal beim Amt. Ok, ich musste zwei Mal zusätzlich gehen, weil ich eine Genehmigung brauchte, um das Land während der Bearbeitung meines Status zu verlassen. Aber trotzdem. Sehr mühsam das alles. Man beachte zudem, dass ich dank meiner Ehe den einfachsten Weg hatte! Als ich die Aufenthaltsbewilligung vor fünf Jahren in Cuernavaca beantragte, ging es bedeutend schneller. Ich habe allerdings gehört, dass sie den Prozess hier in Playa del Carmen extra komplizierter und langwieriger machen, um die viele Ausländer, die hier leben möchten, abzuschrecken.


Aber vier Monate später war es schliesslich so weit: Taraaaa!! Ich bin jetzt stolze Besitzerin einer blassgrünen Karte, die mich nicht nur offiziell und legal hier wohnen lässt, sondern mich zudem von all den Vergünstigungen für Locals profitieren lässt. Zumindest für ein Jahr. Dann fängt die Herumrennerei und Bezahlerei wieder von vorne an. Zuerst darf ich mich aber noch mit dem Beantragen einer Arbeitsbewilligung vergnügen... 

Geduld wird mich hier in Mexiko weit bringen. 

Montag, 19. Oktober 2015

Ahorita

Heute bringe ich euch die mexikanische Kultur etwas näher. Anhand von einem Wort: Ahorita. Ein Wort das mir weitaus mehr Angst einjagt als die berühmt-berüchtigten Drogenmafias. 

Wortwörtlich übersetzt ist «ahorita» das Diminutiv von «jetzt», die Schweizer Version (wir sind ja bekanntlich grosse Fans des Diminutivs) wäre also «jetztli». Hört sich niedlich an. Ist es aber nicht. Es ist ein, in seinem Gebrauch, schreckliches Wort.

«Ahorita» ist eine Zeitangabe, die eigentlich so viel wie «gleich» oder «sehr bald» bedeutet, auf jeden Fall ein zeitlich sehr nahe liegender Moment. Tatsächlich gemeint ist aber jede nur erdenkliche Zeitspanne zwischen «in fünf Minuten» bis «gar nie». In den meisten Fällen liegt sie unangenehm nah bei gar nie. Oft wird das Wort einfach benutzt, um nicht nein sagen zu müssen. Denn das wäre ja unhöflich. 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich die wahre Bedeutung des Wortes gelernt hatte und aufhörte, auf diesen Anruf zu warten. Oder darauf, dass mein Herr Gemahl seine Socken vom Boden in den Wäschekorb umdisponiert. 


Den höchsten Grad an Frustration löst das Wort aber im Zusammenhang mit Technikern, Sanitären und ähnlich sehnsüchtig erwarteten Menschen aus. Falls unklar sein sollte warum, hier ein Beispiel aus dem Alltag: 

Mein Internet funktionierte plötzlich nicht mehr. In der Schweiz würde ich nun den Anbieter anrufen und dieser würde zu einem vereinbarten Termin jemanden vorbei schicken. (Mein vor-mexikanisches ich hätte sich dann über eine halbe Stunde Verspätung aufgeregt oder über ein so ungenaues Zeitfenster wie "Montag Vormittag".) In Mexiko bekam ich die völlig unbefriedigende Zeitangabe von «frühestens in drei Tagen». Am Tag Nummer sechs rief der Techniker an, um mir mitzuteilen, er komme «ahorita». Es konnte sich also nur um Stunden handeln. Er kam überhaupt nicht. Am Tag sieben rief wieder jemand an, wieder, er komme «ahorita». Die Schweizerin in mir beschloss, gegen solch unfassbare Unzuverlässigkeit vorzugehen. Und tatsächlich, nach einigen, für alle Involvierten gleichsam nervtötenden Anrufen und vier Stunden später, war er da. Ich verbuche das als Erfolg. Die Behebung des Problems dauerte übrigens nur zehn Minuten. Der Grund für den Internet-Ausfall würde einen weiteren Blogeintrag füllen. 

Ähnliche Redewendungen:
«Permítame un segundo»«Gib mir eine Sekunde.» Sekunden dauern hier deutlich länger  als in der Schweiz.
«Estoy en camino!»: «Ich bin unterwegs!» Vermutlich gerade vom Badezimmer ins Schlafzimmer, um sich für das Treffen umzuziehen. 

Fazit? Geduld ist eine verdammte Tugend.

Freitag, 10. Juli 2015

Wieso Mexiko?


Wie sicher alle mitbekommen haben, habe ich vor knapp einem Monat der Schweiz den Rücken gekehrt. Nach einem sechsmonatigen Probewohnen in Playa del Carmen habe ich den grössten Teil meiner Sachen weggeschmissen, gespendet oder verkauft, einiges bei meinem Bruder im Keller gelagert und 45 Kilo mitgenommen. Folgende zwei Fragen musste ich deswegen schon unzählige Mal beantworten: Warum? Und wieso ausgerechnet Mexiko? Hier die Antwort dazu schriftlich. 



Viele denken, ich sei einfach wegen meinem Mann hierhergezogen. Ja, auch. Aber nicht nur. Ja, es geht um Liebe. Aber Liebe zum Leben. Liebe zu dem, was ich tue. Liebe zu meiner Umgebung. Und nicht zuletzt natürlich Liebe zu all den Menschen in meinem Leben, die mir wichtig sind.  In der Schweiz habe ich von alldem nicht mehr viel gespürt (ausser der Liebe zu den Menschen in meinem Leben natürlich). Ich war unzufrieden mit mir selbst, meiner Arbeit, meinem Leben überhaupt. Jeden Morgen musste ich mich zwingen, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Eine Veränderung musste her. Denn eines war mir klar: Ich würde nicht zu einem von den Menschen werden, die immer nur motzen aber nichts gegen ihre Unzufriedenheit tun. 

Ich bin mir dessen bewusst, dass, nur weil ich in einem anderen Land lebe, nicht gleich alles magisch besser wird. Aber die Veränderungen die ich mir wünsche und die ich vor allem aktiv beeinflussen kann, sind hier greifbarer. Ich möchte nicht mehr acht Stunden am Tag in einem Büro sitzen und sinnlose Berichte, Nachrichten oder Produktbelobungen schreiben. Ich möchte überhaupt nicht mehr acht Stunden am Tag in einem Büro sitzen müssen. Ich sah in meinem Leben in der Schweiz höchstens eine Veränderung in der Karriereleiter. Und ich bin nicht daran interessiert, diese hochzuklettern. Ich bin daran interessiert, täglich gerne zur Arbeit zu gehen. Freude an dem zu haben, was ich mache. 

Ausserdem, seit  ich als kleiner Knopf mit fünf Jahren zum ersten Mal das Meer gesehen habe, war es mein Traum, am Meer zu leben. Wann hatte ich meine Träume vergessen und stattdessen nur noch an Schulabschlüsse, Diplome und Monatslöhne gedacht? Irgendwann im Laufe meines Lebens habe ich tatsächlich vergessen, was ich wirklich will, was ich wirklich gerne mache. Ich habe mich stattdessen nur noch darauf konzentriert, was von mir erwartet wird. Ich habe gedacht, ich kann schreiben, also werde ich Journalistin. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gelernt habe, dass was man gut kann, nicht unbedingt das ist, was man täglich acht Stunden lang machen will. Oder in anderen Worten, Können ist nichts ohne Begeisterung. Es gibt noch andere Dinge die ich gut kann UND die mir Freude machen. Das letzte Jahr habe ich also hauptsächlich damit verbracht, dem auf den Grund zu gehen: Was will ich wirklich?

Unterbewusst war mir schon lange klar, dass ich hier bleiben will. Trotzdem hatte ich Angst vor der Entscheidung. Was, wenn doch alles schief gehen würde? Was, wenn ich hier niemals so gute Freunde finde würde wie Zuhause? Was, wenn ich hier noch unglücklicher sein würde? Aber in der Schweiz war ich auch nicht glücklich. Und am wichtigsten, ich weiss, ich würde es tausend Mal mehr bereuen, es nicht wenigstens versucht zu haben, als zu scheitern. Ausserdem hatte ich, bis ich endlich eine endgültige Entscheidung traf, ständig wiederkehrende Albträume davon, in Luzern bleiben zu müssen. Ein Arschtritt meines Unterbewusstseins, das meine Unschlüssigkeit langsam satt hatte. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und beschloss: Ja. Ich werde alles in der Schweiz zurücklassen und hier neu anfangen. 




Dennoch, der Abschied fiel mir nicht leicht und die wenigen Wochen die ich hatte, um meine Wohnung aufzulösen und mich von allen zu verabschieden, schienen bei weitem nicht genug. Gefühlsmässig machte ich von «Ich schmeiss alles hin und bleibe doch!», über Wutanfälle und Tränen bis hin zu Euphorie alles durch. Das Thema «Loslassen» war allgegenwärtig - und hat am Ende gut getan.

Wieso ausgerechnet Mexiko? Wieder die Liebe. Nicht nur die zu meinem mexikanischen Mann, sondern zu diesem Land. Ich könnte euch jetzt seitenlang von der mexikanischen Kultur, Natur, dem Essen und den Menschen vorschwärmen. Aber das ausschlaggebende für mich war wohl, seit ich dieses Land zum ersten Mal betreten habe, fühlte ich mich hier Zuhause. 

Wie lange ich bleiben will? Für immer? Ich weiss es nicht. Denn wenn ich etwas gelernt habe in meinem Leben, dann, dass die Dinge oft anders geschehen als geplant. Also lasse ich es auf mich zukommen. 


Und nun bin ich hier. Und habe meine Entscheidung noch keine einzige Sekunde bereut. So weit läuft nämlich alles wunderbar. In der Liebe. In der Arbeit, wo sich ungeahnte Möglichkeiten aufgetan haben. Mich umgeben wunderbare Menschen. Und wenn ich am Strand stehe, die Meeresluft einatme, das Rauschen der Wellen in meinen Ohren und in die Weite blicke (ja, genau so kitschig mache ich das), dann bereue ich erst recht nichts. Es ist lange her, dass ich so glücklich war!


Donnerstag, 25. Juni 2015

Paola

Kürzlich bin ich (wieder zurück) nach Mexiko gezogen, Playa del Carmen heisst die Destination diesmal. Viele (zu viele) Menschen brachten ihre Besorgnis darüber  zum Ausdruck, dass ich in ein "so gefährliches" Land ziehe. Sie stellten sich Mexiko voller mit bis an die Zähne bewaffneten Drogenbaronen vor, die wahllos jeden vergewaltigen und erschiessen, der ihren Weg kreuzt. Mit Vorliebe natürlich blonde Mädels wie mich. 


In Wahrheit aber werde ich hier mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Diese Woche: Ratten. 

Eines schönen Nachmittags sass ich zu Hause am arbeiten, als ich im Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm. Beim genaueren Hinsehen sah ich gerade noch etwas Hand-grosses unter die Kommode huschen. Ohne viel zu denken, stiess ich erst einen entsetzten Schrei aus und war dann etwa 3 Sekunden später aus der Wohnung. Um eine Stunde später, bewaffnet mit einer Freundin, zwölf Dosen Bier gegen die Angst und einer Rattenfalle wieder zurück zu sein. Noch einmal etwa 4 Stunden später war von der Ratte keine Spur, obwohl wir mit einem Besenstiel alles abgesucht hatten, und das Bier getrunken. Man begann an meiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Mein Mann war entsprechend begeistert, als er nach Hause kam, uns betrunken vorfand und erfuhr, dass wir die Wohnung fortan mit einer Ratte teilen. Er hält von Ratten etwa so viel wie ich von den übergrossen (ca. 7cm) Kakerlaken die zudem noch fliegen können (wieso?!), oder den 30cm langen Tausendfüsslern hier (die werden ihrem Namen wenigstens gerecht). Ehrlich, da habe ich vor einer Ratte weniger Angst. Aber in meiner Wohnung möchte ich sie trotzdem nicht haben. Plötzlich vermisste ich meine Katze noch viel mehr.

Zwei Tage später hatten wir die Ratte liebevoll Paola genannt. Ich hatte inzwischen die komplette Wohnung auf den Kopf gestellt, sie von sämtliche Insekten befreit und eine Eidechse gefangen und wieder befreit, die in einer von Paolas Fallen kleben geblieben war (ich konnte nirgends eine Lebendfalle finden). Paola hingegen war viel zu schlau für diese Fallen: Sie ass die Chips daraus ohne kleben zu bleiben und hinterliess nur angsteinflössend riesige Pfoten-Abdrücke. Wir wohnen in einer eineinhalb-Zimmer Wohnung - meiner Meinung nach gibt es nicht so viele Orte, wo sich eine Ratte verkriechen kann. Aber Paola belehrte mich eines besseren. Dieses schlaue Biest. 

Am dritten Abend schliesslich, wir lagen bereits im Bett, hörten wir es aus der "Küche" (eigentlich einfach die Ecke der Wohnung, wo der Kühlschrank und das Regal mit Essen und Geschirr stehen) klirren. Innert einer halben Sekunde war ich auf den Beinen und in der Küche. Da war sie, Paola! Aus ihren kleinen schwarzen Knopfaugen starrte sie mich an und in dem Augenblick des gegenseitigen Anstarrens konnte ich ihren Hohn förmlich spüren. Natürlich schrie ich laut, was zwei Sachen nach sich zog: Paola rannte unter das Gestell und mein Mann verfiel loyal, wie er ist ebenfalls ein bisschen in Panik. Aber dieses Mal würde ich nicht wieder den gleichen Fehler begehen. Ich würde das kleine fette Biest nicht mehr aus den Augen lassen, bis ich es aus der Wohnung hatte. Paola sollte mir dankbar sein, war das doch eine Chance, lebend zu entkommen, denn töten wollte ich sie eigentlich nicht. Etwa 45 Minuten, einige umgekippte Möbel und panische Schreie später, schaffte ich es: Samt Couch-Hocker bugsierte ich Paola zur Haustür hinaus. Mein Mann hatte derweil die Fähigkeit entwickelt, sich auf Stühlen stehend fortzubewegen. 

Nun, wir hatten einige wertvolle Lektionen gelernt: 1. Ratten hier sind weitaus grösser, mutiger und frecher als diejenigen in der Schweiz. Wir pflegen ja zu sagen, "Das Tierchen hat mehr Angst vor dir, als du vor ihm!" Auf Paola traf das ganz bestimmt nicht zu. Sie hatte sich nämlich vermutlich die ganze Zeit unter dem Sofa versteckt, welches ich auf der Suche nach ihr mehrmals kräftig bewegt und auf den Boden knallen lassen hatte. 2. Wir könnten hier vergewaltigt und gefoltert werden, oder sonstige gewalthaltige Praktiken die uns laut schreien lassen, und die Nachbarn scheren sich einen Dreck darum. 3. Ich vermisse meine Katze. 4. Ratten führen dazu, dass mein Mann erstaunliche akrobatische Leistungen vollbringt.

Fazit: Ist die Ratte im Haus, tanzt der Ehemann auf dem Stuhl. 

Sonntag, 15. Januar 2012

Wein-nachten

Endlich Weihnachten!! (Ich habe diesen Eintrag einen Tag vor Weihnachten geschrieben - bin leider erst jetzt dazu gekommen, ihn hochzuladen. Bin extrem beschäftigt zur Zeit - mit Ferien machen, Sonne tanken, shoppen und Party!)

Also...endlich Weihnachten! Denn das bedeutet für mich vor allem zwei Dinge: endlich Mexiko und endlich ist Weihnachten wieder vorbei. Aber eines nach dem anderen.

Jetzt gerade sitze ich im Flugzeug von Paris nach Mexiko. Und dass ich jetzt gerade diesen Blogeintrag schreibe, daran ist Air France schuld. Eigentlich wollte ich nämlich gemütlich in meinem eigenen Bildschirm einen Film gucken und dazu einen Wein trinken. Oder vielleicht zwei. Oder so. Aber mit meinem Glück kam es natürlich anders. Mein Bildschirm funktioniert nämlich nicht - sowie der von dreissig weiteren Fluggästen. Nach nervigen 45 Minuten „Veulliez patienter“ (was nach so langer Zeit etwas ironisch wirkt), konnte ich mir zumindest anschauen, wo wir uns gerade befinden. Sprich ein kleines weisses Flugzeug über einem grossen blauen Hintergrund – der Atlantik. Wahnsinnig informativ. Und als wäre das nicht genug, habe ich auch noch den Sitzplatz in der Mitte. Zwar zwischen zwei ganz netten Leuten, aber dennoch in der Mitte. Bisher habe ich mich damit unterhalten, die Flugbegleitung im zehn-Minuten-Takt zu fragen, wenn sie denn  endlich gedenken, das Problem mit dem Bildschrim zu beheben. Bisher allerdings erfolglos. Die Bildschirme der weiteren dreissig Fluggäste funktionieren übrigens inzwischen. Mein Plan B: Noch fünf, sechs oder sieben (…) Wein trinken und dann in einen komatösen Schlaf verfallen bis wir in Mexiko landen.
Da die Flugbegleitung aber nur alle 15 Minuten vorbei kommt bin ich erst bei Wein Nummer zwei und vertreibe mir die Zeit mit dem Verfassen dieses Blogeintrags.

Die vergangenen knapp vier Wochen habe ich am Weihnachtsmarkt meiner Stadt verbracht, wo ich Glühwein verkaufte. An und für sich eine angenehme Tätigkeit, wenn man eine Arbeit für zwischendurch und dringend Geld braucht. Wären manche Menschen nur nicht so unglaublich… kognitiv beschränkt!!! Hier die Top Five der dümmsten Fragen die mir (regelmässig!!) gestellt wurden in den letzten Wochen:
1.       Wir verkauften nicht nur roten Glühwein, sondern auch weissen. Ungefähr drei Mal pro Stunde wurde ich gefragt: „Siiiiiiieee, was ist denn der Unterschied zwischen dem weissen und roten Glühwein?“ „Huy, Schatz schau, die haben weissen Glühwein! Siiiiieee, was ist denn weisser Glühwein?“
Lieber Leser. Ich werde diese Frage einfach unkommentiert so stehen lassen. Ich glaube an ihre kognitive Kompetenz!
2.       Wir verkauften den Glühwein nicht nur offen, sondern auch in Flaschen. Einerseits den herkömmlichen roten Glühwein (neben dem besagten weissen). Dieser hiess „Weihnachtsglühwein“. Wohl eine sehr irritierende und irreführende Bezeichnung: „Siiiiiiieee, was ist Weihnachtsglühwein? Haben sie keinen normalen Glühwein??“
3.       Und wir verkauften auch einen Bio Glühwein in Flaschen (So angeschrieben. Ganz gross). „Siiiieeeee, was ist der Unterschied zwischen diesem Glühwein und dem da (normaler roter „Weihnachtsglühwein“)???“ „Ja, der ist Bio und der andere nicht.“
4.       Dieser Frage gebührt eigentlich Platz eins. Aber Sie wurde nur etwa 3 Mal gestellt, weshalb Sie leider keine Medaille erhält: „Siiiiiiiiiiiiiiiiiieee, verkaufen Sie auch Glühwein?“ (Quer über meinem Stand stand in riesigen Buchstaben: GLÜHWEIN).
5.        „Siiiiieeee, ist in dem Glühwein Alkohol drin?“

So, jetzt ist Wein Nummer vier da und ich muss das Migrations-Dings ausfüllen. was ich gerne nüchtern mache. Habe ja auch nur noch neun Stunden Zeit. Ich werde also weiterhin hartnäckig meinen Plan B verfolgen.

Nachtrag:
Nachdem ich den netten Flugbegleiter etwa zwei Stunden zu Tode genervt habe, bot er mir an, mit mir Karten zu spielen. Ein Angebot das ich zu seinem Erschrecken annahm. Weshalb er schliesslich organisierte, dass ich meinen Platz mit jemandem tauschen konnte. Aber nur für zwei Stunden. Immerhin! Jetzt habe ich endlich den Film „Chez les Ch’tis“ gesehen – sehr empfehlenswert!!
Endlich in Mexiko erwarteten mich spannende zwei Stunden Wartezeit bei der Passkontrolle. Falls jemand mir für meine nächste Reise sein besonders nerviges Kleinkind ausleihen möchte, wäre ich dankbar, denn Eltern mit schreienden Kindern wurden vorgelassen.
Jedenfalls bin ich inzwischen heil hier angekommen und geniesse das schöne Wetter, das unglaublich leckere Essen und die Zeit mir meinen Freunden!

Ich wünsche Euch allen ein geniales 2012 voller positiver Überraschungen und wunderschönen Momenten!

Mittwoch, 2. November 2011

Dia de los Muertos

Die sieben Tage Mentaldiät war nicht wirklich ein Erfolg. Ich wurde erst unerträglich sarkastisch, dann zynisch und ab Tag vier hatte ich nur noch Albträume. Grund war aber eher die falsche Umsetzung als die Diät an und für sich. Denn Ziel ist es nicht, negative Gedanken zu unterdrücken (wie ich), sondern sie in positive umzuwandeln. Zumindest also das habe ich herausgefunden und noch zwei: 1. In manchen Fällen geht es auch darum, negative Gedanken gar nicht erst entstehen lassen. Man kann sein Leben nicht, oder nur bedingt, kontrollieren. Das einzige was ich aber wirklich aktiv kontrollieren kann, sind meine Gedanken. Wenn ich also auf ein bestimmtes Ergebnis von etwas warte, einfach positiv denken und sich darauf einstellen, dass es gut enden wird. Auf diese Weise lässt man das Entstehen der negativen Gedanken gar nicht erst zu. 2. Sich mehr auf die positiven Aspekte konzentrieren als auf die negativen. OK, man hat in Bezug auf ein bestimmtes Thema vielleicht gewisse Dinge falsch gemacht. Aber was hat man denn richtig gemacht? Wo war man erfolgreich?
Ich versuche also dies alles umzusetzen. Im Glauben, dass ein positives Lebensgefühl bereits die Hälfte eines positiven Lebens ausmacht.
Ja, dir lieber Leser mag das vielleicht längst klar sein! Ich hatte bisher eben immer gerne mein Leben in allen seinen Facetten und Formen unter Kontrolle und würzte dies mit ein paar negativen Gedanken. Aber man wird ja zum Glück weiser mit der Zeit.



Nun zu einem ganz anderen Thema. Heute ist der erste November! Das heisst, heute fangen in Mexiko die Vorbereitungen zum Dia de los muertos (Tag der Toten) an. In meiner Zeit in Mexiko war dies einer meiner eindrücklichsten Erlebnisse. Wahrscheinlich auch darum, weil kurz zuvor jemand mir sehr nahe stehendes gestorben war, und mir diese Rituale sehr geholfen hatten, darüber hinweg zu kommen.
Am 1. November macht man in Mexiko seinen verstorbenen Familienangehörigen, oder sonst Personen die einem viel bedeuteten, eine „Ofrenda“, eine Art Opfergabe oder Altar. Das hat jetzt nichts mit Blut und Kreuzen zu tun. Sondern, neben einigen unerlässlichen Requisiten, stellt man dem Verstorbenen sein Lieblingsessen hin sowie andere Dinge die er gerne mochte. Wie zum Beispiel Zigaretten, Wein, ein Buch wenn er oder sie gerne las… etc. Ich erspare euch die lange Erklärung woher der Brauch kommt, denn er stammt noch von den Azteken (wer doch mehr wissen will, kann sich hier
 schlau machen, oder hier auf Spanisch) sondern fasse mich kurz (jahaaa ich kann mich auch kurz fassen wenns sein muss!).
Die Mexikaner glauben, dass die Seelen der Verstorbenen eine Nacht im Jahr zurück auf die Erde kommen. Und zwar eben in der Nacht vom ersten auf den zweiten November. Deswegen dürfen auf dem Altar u. a. Wasser und Salz nicht fehlen, denn die Seele hat einen langen Weg hinter sich, und ist durstig. Das Salz dient der Reinigung der Seele. Und natürlich stellt man ihnen auch einen Stuhl hin, sie sind schliesslich müde und wollen sich ausruhen zum essen.
Schliesslich kommen noch Weihrauch und stark duftende Blumen dazu, die man bis an die Eingangstüre streut, damit die Seele die Opfergabe auch sicher findet und ein Foto. Sonst könnten ja Verwechslungen stattfinden – auch Seelen können sich schliesslich mal irren und man will doch keine fremde Seele durchfüttern!



Am zweiten November werden die Verstorbenen auf dem Friedhof gefeiert. Ja, regelrecht gefeiert! Man gedenkt ihnen, indem man mit der ganzen Familien das Grab bunt schmückt und Essen bringt. Man stelle sich hier acht-köpfige mexikanische Durchschnittsfamilien mit Kind und Kegel vor, keine Schweizer Familie mit einem Kind und der Grossmutter im Altersheim. Dementsprechend viel los ist an dem Tag auf dem Friedhof.
Ich habe ein Kindergrab gesehen, dass mit farbigen Ballons und Süssigkeiten geschmückt war und andere haben eine gesamte Marriachitruppe ans Grab geholt, um dem Verstorbenen vorzuspielen, weil er doch so gerne tanzte. Es ist unbeschreiblich und ich kann es jedem, der an diesem Tag in Mexiko ist nur von ganzem Herzen empfehlen, einen Abstecher auf einen Friedhof zu machen

Ganz abgesehen davon, ob man nun daran glauben mag oder nicht. Finde ich es einfach nur ein wunderschöner Brauch, eine wunderschöne Art, mit dem Tod umzugehen und seinen Verstorbenen zu gedenken. Wenn ich hier bei uns auf einen Friedhof gehe, herrscht meistens eine gedrückte, traurige Stimmung, In Mexiko, an diesem einen Tag, herrscht eine laute, fröhliche, ja man kann sagen, Partystimmung.
Und die Vorbereitungen der Opfergabe haben mich auch sehr berührt. Man möchte der verstorbenen Person eine Freude machen, überlegt sich, was kann ich dort hinlegen, was ihm oder ihr gefällt? Und setzt sich somit einmal auf einer ganz anderen Ebene mit dem Tod auseinander.

Es ist auf jeden Fall besser als Halloween. Danke Hollywood, dass jetzt auch wir an diesem Abend von nervigen Kindern an der Haustüre für Süssigkeiten erpresst werden. Als wären die nervigen Zeugen Jehovas und sonstigen Vertreter an den restlichen Tagen im Jahr nicht schon nervig genug. Hey Kids, bei uns gibt’s Fasnacht, und da wo ich wohne, werden da sogar Bonbons und andere Süssigkeiten von Umzugswagen geworfen und zwar an mehr als nur einem Tag!!!