Ich befinde mich zurzeit auf Stellensuche. Das ist nichts für empfindliche Menschen. Es ist eine beinahe menschenunwürdige, erniedrigende Angelegenheit. Man müht sich stundenlang ab, eine wohlklingende Bewerbung zu schreiben, den möglichen zukünftigen Arbeitgeber und sich selber in den Himmel zu loben. Honoriert wird dies oft nicht einmal mit einer Absage. Ist es denn so viel verlangt, eine Copy/paste-Email zu schicken?!
Es ist wirklich nicht einfach, eine Arbeit zu finden, die einem gefällt. Mit einem Arbeitsort der nicht die SBB zu meinem zweiten Zuhause macht. Eine Arbeit bei der man ausserdem genug verdient, um auch mal etwas anderes als Pasta mit Ketchup essen zu können und die Telefonrechnung auch dann noch bezahlen kann, wenn man wegen eines sentimentalen Notfalls vier Stunden mit der besten Freundin telefoniert hat und danach Verzweiflungs-Shoppen war.
Aber heutzutage suchen ja alle nur Arbeits-Superhelden: Man soll bitte mindestens fünf Jahre oder aber besser noch mehr Erfahrung haben. Wo bitteschön soll ich denn diese Erfahrung machen wenn sie ÜBERALL vorausgesetzt wird?! Und jung sollte man sein. Am liebsten Mitte zwanzig mit zehn Jahren Berufserfahrung.
Wichtig auch, Allroundtalente sind sehr gefragt. Sie wollen schreiben? Das können Sie bestimmt fliessend auf Deutsch, Französisch und Englisch? Und die Bilder dazu können Sie sicher auch selber bearbeiten – oh oder könnten Sie sie vielleicht sogar selber fotografieren?! Oder suchen Sie sie aus dem Internet heraus. Sie kennen sich ja bestimmt aus mit den gängigen Urheberrechtsgesetzten und Copyrights aus. Stellen Sie den Text doch bitte auch selber ins Netz. Die Programme dazu sind Ihnen ja bestimmt geläufig. Sie können das alles sicher mit links und selbständig? (Das einzige was immer ausführlich erklärt zu werden scheint, ist der Gebrauch der Kaffeemaschine.)
Und all das sollte man natürlich möglichst gratis tun.
Und wissen Sie was?! Ich kann all das. Ich kann Texte schreiben, Bilder bearbeiten, kenne mich mit Content Management Programmen aus, der Betreuung von Social Media und kann sogar Filme schneiden. Aber leider konnte ich dieses Wissen nicht bereits fünf Jahre unter Beweis stellen.
Warum machen Sie denn kein Praktikum? (Praktikum = Fremdwort für Sparmassnahme von grossen Medienunternehmen). Vielleicht weil ich Rechnungen und meine Miete zu bezahlen habe und hin und wieder auch ganz gerne Nahrung zu mir nehme?
Ich weiss, ich kann nicht mit jahrelanger Erfahrung glänzen. Ich bewerbe mich aber auch nicht für Führungspositionen oder um den ganzen Wirtschaftsteil der NZZ redaktionell zu leiten. Ich will doch nur irgendwo einfach schreiben können. Von mir aus kann das der Oberhinteregger Dorfanzeiger sein. Dort könnte man mich doch Erfahrungen sammeln lassen? Aber selbst von solchen eher kleinen Zeitschriftchen bekommt man ihre Kreativität (und Mut...) höchstens in der Absage zu spüren: „Ich gratuliere Ihnen! Sie sind wieder vogelfrei, sich nach einer neuen Stelle umzusehen!“