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Mittwoch, 28. Oktober 2015

Moskitos

Vorgestern habe ich mich bei einem Freund in einer schier endlosen Sprachnachricht-Tirade über diese verdammten Moskitos hier aufgeregt. Die Mückenstiche stapeln sich auf meinen Armen und Beinen, es juckt unaufhörlich und ich sehe aus als hätte ich die Windpocken, lauter rote Flecken. Stellt euch das mal in einem sexy Abendkleid vor - das geht gar nicht! Kein Vergleich zu der herzigen kleinen Schweizer Stechmücke, die praktisch nur einen kleinen Pieks hinterlässt. 

Der hilfreiche Kommentar des netten Freundes: «Denk positiv!» 

Welches Kind wünscht sich nicht ein Stofftier-Moskito? (Gesehen bei Amazon)

Ich versuche wirklich, die Dinge im Leben so positiv wie möglich zu sehen. À la, Traumjob nicht bekommen? Da wartet bestimmt was besseres auf mich! Bei Moskito-Stichen fällt das aber schwer. Beruflich läuft's grad nicht so rund aber dafür komme ich bei den Mücken voll an? Juhuu, ich habe Deli-Blut? Yeah. Nein ehrlich, was ist daran positiv, dass ich mich am liebsten den halben Tag im Badezimmer einsperren würde, um mich zu kratzen? Fangt gar nicht erst an mich zu belehren, dass man Stiche nicht aufkratzen soll. Das weiss ich selber und mein Wille bietet Mordskräfte auf, aber das Fleisch ist schwach. Dabei neble ich mich ständig mit Anti-Brumm ein. Man riecht mich jeweils schon gute fünf Minuten bevor ich um die Ecke biege. Wer braucht schon Parfum wenn man Anti-Brumm benutzen kann. 

Alle noch so grässlichen Viecher auf dieser Welt erfüllen irgendeinen Zweck, der ihr Dasein berechtigt: Bienen sind das Sexleben von Pflanzen und machen leckeren Honig. Spinnen essen Insekten die noch ekliger sind als sie selber. Inklusive Mücken übrigens. Sogar Kakerlaken haben eine Daseinsberechtigung: Ihre Scheisse macht den Boden nahrhaft für Pflanzen (Jahaa, ich hab mega recherchiert und einen schier endlos langen, wissenschaftlichen Artikel in Englisch von einem gewissen Dr. Kambhampati gelesen, um diesen einen Satz über Kakerlakenscheisse schreiben zu können). 

Aber wie sieht es mit Mücken aus? Man möchte es nicht glauben, aber auch sie haben ihren Platz in unserem Ökosystem (und ungefähr 100 Plätze auf meinem Körper). Sie dienen einerseits als wichtige Nahrungsquelle für viele Tiere. Eben Spinnen beispielsweise. Und Eidechsen. Die essen übrigens auch Kakerlaken. Und um die Nahrungskette zu vervollständigen: meine Katze isst dann wiederum die Eidechsen. OK, nicht ganz. Sie spielt mit ihnen und lässt sie dann irgendwo, am liebsten im hintersten Ecken unter meinem Sofa, langsam und qualvoll verrecken. Also fallen die Eidechsen bei mir zu Hause leider weitgehend weg als natürliche Moskito-Beseitiger.
Zurück zum eigentlichen Thema. Neben noch ein, zwei anderen, komplizierter zu erklärenden Sachen, dienen Moskitos als Bevölkerungskontrolle. Sie halten Menschen und Tiere mit Dengue, Malaria und anderen von ihnen übertragenen Krankheiten in Schach, damit wir uns nicht zu sehr vermehren und die Erde übervölkern. 

Kommen wir aber endlich zum für mich einzig möglichen positiven Gedanken über Moskitos: Downward Comparison. Gemeint ist, sich gut fühlen weil man sich beispielsweise mit jemandem vergleicht, dem es noch beschissener geht. Dem Moskito geht es meiner Meinung nach beschissener als meinem zerstochenen Selbst. Zumindest möchte ich auf keinen Fall mit einem Lebewesen tauschen, das alle hassen, es sei denn, sie können es essen. Auch wenn die kleine Blutsaugerin (es sind ja nur die Moksitomädels die stechen) sich dessen nicht bewusst ist und bestimmt keine tiefgründigen Gedanken über ihr Dasein hat.


Fazit: Wenn gar nichts mehr geht, Downward Comparison geht immer.

Montag, 26. Oktober 2015

Dinge, die die deutschsprachige Welt nicht braucht

Vor einigen Tagen hat mich die Bewertung eines deutschen Reiseportals so genervt, dass dieser Blogpost entstanden ist. Ich habe für sie einige Texte verfasst, die mit nur vier von fünf Sternen bewertet wurden. Wegen mangelnder Orthografie. Boah. Was?! Die Perfektionistin in mir heulte auf. Wie sich herausstellte, waren es ausnahmslos Wörter, in denen ich ein Doppel-s anstelle des scharfen S (ß) verwendet hatte. 


Wir Schweizer sind ja in vielen Dingen sehr eigen und man mag es oder eben nicht: Wir lieben den Diminutiv, der ist nämlich herzig, mögen es aber gar nicht, wenn Deutsche vom Fränkli reden. Wir fahren Velo, machen grundsätzlich nicht Urlaub sondern Ferien, gehen auf dem Trottoir, essen zum Zmorge ein Gipfeli, wohnen in Attika-Wohnungen, trinken Stangen und die nicht zu östlich wohnhaften können zudem das R aussprechen.

Klar, in Texten für generell deutschsprachiges Publikum lassen wir oben genannte Ausdrücke möglichst weg. Aber in einer Angelegenheit sind wir Schweizer uns alle einig: Dieser eigenartige, geringelte Buchstabe ß ist vollkommen überflüssig. Wir verwenden ihn niemals (und wenn doch, ist die automatische Rechtschreibkorrektur schuld).

Deutsche und Österreicher aber lieben das ß über alle Massen. Oder vielleicht auch nicht. Aber ich bin mir sicher, dass alle den Satz verstanden haben. Denn Masse oder Maße ist das einzige Wort, das sich auch in der Aussprache wegen dem Eszett unterscheidet. Wir Schweizer haben schon lange festgestellt, dass wir klug genug sind, den Unterschied auch durch den Kontext zu verstehen und haben das ß daher schon längst abgeschafft. 

Aber klug genug ind wir ja eigentlich alle. Denn es gibt noch mehr Wörter, die gleich geschrieben werden, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Sogenannte Homonyme: Bank, Tau, Leiter, Schloss, Hahn… um nur einige zu nennen. Wichtig ist, wir wissen immer, wovon gerade die Rede ist. Schreibt mir jemand «Die Tauben sind bestimmt voller Flöhe», bin ich mir sicher, die Person redet von den Vögeln und nicht von gehörlosen Menschen.

Wieso also besteht die restliche deutschsprachige Welt (ich zähle Liechtenstein orthografisch jetzt einfach mal zu der Schweiz) immer noch auf der Verwendung dieses sinnlosen Buchstabens?

Mich für meinen Teil interessiert der Gebrauch des ß nicht und ich werde ihn auch nicht lernen. Auch dann nicht, wenn mich eine deutsche Internetseite deswegen mit nur vier von fünf Sternen bewertet. Meinen Schülern (ich unterrichte hier Deutsch) erkläre ich jeweils, dass es ein Doppel-s ist, dessen Anwendung sie getrost ignorieren können. Die deutsche Sprache ist ohnehin schon schwer genug. 

Fazit: Manchmal sind wir Schweizer eben sehr pragmatisch. 

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Nikita

Rote Katzen lieben mich. Denn es sind immer die Roten, die mich aussuchen. Jawohl, die mich aussuchen. Es ist nämlich nicht so, als hätte ich jemals aktiv entschieden, eine Katze zu adoptieren. Nein, diese Fellknäuel finden immer mich. Und es sind jeweils sie, die entscheiden, «So, bei diesem Menschen bleibe ich jetzt».

Die meisten, die diesen Blog lesen, kennen Mino und Chili. Der eine ein hellroter, mexikanischer Kater, der einen an der Waffel hat. Der andere ein roter rundlicher Kater, der Ähnlichkeiten mit Dreamworlds Version des gestiefelten Katers hat. Ich wollte weder damals in Mexiko eine Katze, noch eine zusätzliche als ich wieder zurück in der Schweiz war. Aber irgendwie hat es sich einfach so ergeben. Mino blieb bei mir, statt zu seinen eigentlichen Besitzern zu kommen und Chili übernahm ich von meinen Eltern. Und natürlich habe ich beide in mein Herz geschlossen. Mein innigster Dank an dieser Stelle an die neuen (vorübergehenden) Adoptivmamis und -papis der beiden. 

Nach meinem Neustart hier in Mexiko war ich aber sicher, ich wollte keine neue Katze mehr. Entweder Mino zu mir holen oder gar keine. Ausserdem bedeuten Haustiere auch langjährige Verpflichtungen, die ich sicher wahrnehmen und können will. Also, zu diesem Zeitpunkt garantiert keine neue Katze mehr. Dann tauchte das Plappermaul Nikita auf.

Nikita, mal ganz graziös...
Damals noch eine namenlose rote Strassenkatze mit leichtem Überbiss und kräftiger Stimme. Eines Tages entschied sie einfach, sie gehört jetzt zu mir. Indem sie uns einfach ins Haus folgen wollte - als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Anfangs versuchte ich mich noch zu widersetzen und stellte ich ihr einfach draussen Futter hin. Aber dann hat sie mich doch überredet. Wortwörtlich. Denn sie ist äusserst gesprächig. Egal ob es drei Uhr morgens ist, wenn sie uns unbedingt mitteilen muss, dass sie jetzt wieder zu Hause ist und was sie alles spannendes erlebt hat, oder zehn Uhr früh, wenn ich mich versuche auf meine Arbeit zu konzentrieren. Aber das Gemiaue ist eben schon auch irgendwie herzig. Okay, sie ist extrem herzig. Und hat unsere Herzen im Sturm erobert.

...mal weniger.

Seit knapp drei Monaten verbringt sie jetzt 90% vom Tag zu Hause und folgt mir dort auf Schritt und Tritt. Vergessen sind die Tage, als sie auf der Strasse lebte. Vor allem zur Fütterungszeit. In diesen wenigen Wochen ist aus der kleinen, zerrupften Strassenkatze eine hübsche Katzendame mit glänzendem Fell geworden. Ihre Dankbarkeit drückt sie in Form von toten Ratten, Eidechsen und Vögeln aus. Ja, mein Herz wurde wieder von einer Katze gestohlen.


Fazit: Wenn man eine Katze zur Adoption freigeben will, sollte man das unbedingt im ersten Monat nach dem Kennenlernen tun. Sonst brechen Herzen.

Montag, 19. Oktober 2015

Ahorita

Heute bringe ich euch die mexikanische Kultur etwas näher. Anhand von einem Wort: Ahorita. Ein Wort das mir weitaus mehr Angst einjagt als die berühmt-berüchtigten Drogenmafias. 

Wortwörtlich übersetzt ist «ahorita» das Diminutiv von «jetzt», die Schweizer Version (wir sind ja bekanntlich grosse Fans des Diminutivs) wäre also «jetztli». Hört sich niedlich an. Ist es aber nicht. Es ist ein, in seinem Gebrauch, schreckliches Wort.

«Ahorita» ist eine Zeitangabe, die eigentlich so viel wie «gleich» oder «sehr bald» bedeutet, auf jeden Fall ein zeitlich sehr nahe liegender Moment. Tatsächlich gemeint ist aber jede nur erdenkliche Zeitspanne zwischen «in fünf Minuten» bis «gar nie». In den meisten Fällen liegt sie unangenehm nah bei gar nie. Oft wird das Wort einfach benutzt, um nicht nein sagen zu müssen. Denn das wäre ja unhöflich. 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich die wahre Bedeutung des Wortes gelernt hatte und aufhörte, auf diesen Anruf zu warten. Oder darauf, dass mein Herr Gemahl seine Socken vom Boden in den Wäschekorb umdisponiert. 


Den höchsten Grad an Frustration löst das Wort aber im Zusammenhang mit Technikern, Sanitären und ähnlich sehnsüchtig erwarteten Menschen aus. Falls unklar sein sollte warum, hier ein Beispiel aus dem Alltag: 

Mein Internet funktionierte plötzlich nicht mehr. In der Schweiz würde ich nun den Anbieter anrufen und dieser würde zu einem vereinbarten Termin jemanden vorbei schicken. (Mein vor-mexikanisches ich hätte sich dann über eine halbe Stunde Verspätung aufgeregt oder über ein so ungenaues Zeitfenster wie "Montag Vormittag".) In Mexiko bekam ich die völlig unbefriedigende Zeitangabe von «frühestens in drei Tagen». Am Tag Nummer sechs rief der Techniker an, um mir mitzuteilen, er komme «ahorita». Es konnte sich also nur um Stunden handeln. Er kam überhaupt nicht. Am Tag sieben rief wieder jemand an, wieder, er komme «ahorita». Die Schweizerin in mir beschloss, gegen solch unfassbare Unzuverlässigkeit vorzugehen. Und tatsächlich, nach einigen, für alle Involvierten gleichsam nervtötenden Anrufen und vier Stunden später, war er da. Ich verbuche das als Erfolg. Die Behebung des Problems dauerte übrigens nur zehn Minuten. Der Grund für den Internet-Ausfall würde einen weiteren Blogeintrag füllen. 

Ähnliche Redewendungen:
«Permítame un segundo»«Gib mir eine Sekunde.» Sekunden dauern hier deutlich länger  als in der Schweiz.
«Estoy en camino!»: «Ich bin unterwegs!» Vermutlich gerade vom Badezimmer ins Schlafzimmer, um sich für das Treffen umzuziehen. 

Fazit? Geduld ist eine verdammte Tugend.